Auch in diesem Jahr haben wir mit der Adventszeit den neuen Zyklus 2022/23 unserer Meditationsschalen gestartet. Das diesjährige Thema lautet: «Das biblische Phänomen des Wunders und einige Wunder Jesu bei seiner Verkündigung des Reiches Gottes». Das Konzept der Wunder in der Bibel ist bereits im AT dokumentiert, obwohl es dort keinen genauen Begriff dafür gibt. Man spricht im Zusammenhang mit Wundern lieber von «Zeichen» (semeia) und «Kräften» (dynameis), anstatt den Begriff Wunder zu verwenden. So werden beispielsweise die ägyptischen Plagen des AT, die gewissermaßen den Prototyp des alttestamentlichen Wunders darstellen, wie folgt beschrieben: «Ich will meine Zeichen und Wunder im Lande Ägypten mehren; dann werden die Ägypter erkennen, dass ich der Herr (JHWH) bin» (Ex 7,3-5). Das Wunder besteht also darin, dass es einen Erkenntnisprozess in Gang setzt, der nicht bei dem als wunderbar angesehenen Ereignis stehen bleibt, sondern bei seiner Bedeutung. Der Bibel zufolge sollen sie auf etwas anderes hinweisen als auf die Tat selbst: Sie sind als Zeichen gedacht. Das Wunder ist somit ein echtes Phänomen der Kommunikation.
Die wundersamen Ereignisse in den Evangelien lassen sich auf drei grundlegende Kategorien zurückführen:
– Heilungen, z. B. die des blind geborenen Blinden.
– Exorzismen, verschiedene Befreiungen von Besessenen.
– Naturereignisse, wie z. B. die Vermehrung der Brote.
Nach Ansicht des Theologen Marco Tibaldi gibt es auch drei Arten von Bedeutungen, die mit diesen Ereignissen verbunden sind:
Erstens, sollen sie deutlich machen, dass mit Jesus das Reich Gottes wirklich angebrochen ist. Wenn Jesus und Gott wieder regieren, dann regiert der Feind, der Widersacher, der Fürst dieser Welt, der Teufel, nicht mehr. Jesus setzt diese Zeichen der Heilung, weil er deutlich machen will, dass jetzt eine neue Geschichte beginnt, in der die Menschen nach dem ursprünglichen Plan des Schöpfers „wiederhergestellt“ werden. Deshalb heilt er von den Sünden und den Spuren, welche die Sünde bei den Menschen hinterlassen hat, wie Krankheit und Tod. So sind sie Zeichen der Hoffnung für die Welt, der eine Alternative zur Resignation geboten wird.
Zweitens, will Jesus die Verbindung zu den Verheißungen des Alten Testaments deutlich machen. Die Zeichen, die er tut, sollen seinen Zuhörern zu verstehen geben, dass er der von Israel erwartete Messias ist, ein Messias, der durch die Heils-Zeichen, die er tun würde, identifiziert wird. Jesus wird Johannes dem Täufer antworten: «Geh hin und berichte Johannes, was du hörst und siehst: Blinde werden wieder sehend, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube werden wieder hörend, Tote werden auferweckt, den Armen wird das Evangelium verkündet» (Matthäus 11,5). Die meisten dieser Zeichen stehen beim Propheten Jesaja, der sie in Bezug auf die Zeit des Messias geäußert hatte. Jesus ist also derjenige, der die lang erwartete Endzeit einläutet, er ist die Erfüllung der Verheißung. Das ist es, was die Wunder aussagen sollen.
Drittens, wenn Wunder diese Bedeutung haben, dann ist die konkrete Realität, auf die sie sich beziehen, letztlich folgende: Sie laden diejenigen, die sie empfangen oder die sie bezeugen, dazu ein, auf je eigene Weise Jünger Jesu zu werden (Nachfolge).
Mit der Eröffnung dieser neuen Serie, die uns dazu bringen wird, über einige der Wunder oder Zeichen zu meditieren, die Jesus uns geschenkt hat, möchte ich vor allem Mägi und Sonja Hitz für ihr Engagement und vor allem ihre Kreativität danken. So wurde es möglich, Wunder und Zeichen durch die verschiedenen Darstellungsformen, die uns unsere reichhaltigen, meditativen Schalen bieten, symbolisch zu präsentieren. Ich wünsche allen unseren Pfarreiangehörigen und allen, die in unseren Kirchen vorbeikommen und verweilen, eine wenn auch nur kurze, so doch an meditativen Einsichten reiche Zeit.
Luigi Nuzzi, Pastoralassistent